11. Tag: Tarifa – Larache

Ich hatte wieder eine sehr unruhige Nacht im Hostel. Ich war mit 4 weiteren Personen in einem 6-Bett-Zimmer untergebracht und mir war die Luft und die Enge einfach zu unangenehm. Mehrmals in der Nacht bin ich aufgewacht, auch weil ich träumte, ich würde verschlafen und meine Fähre verpassen. Als ich aber kurz vor halb sieben aufstand, war ich lange Zeit der erste und einzige außer dem Nachtportier.

Gegen 7 kam dann mein Schweizer Gesprächspartner von gestern noch dazu. Als wir uns in der Küche unser Frühstück aus unseren mitgebrachten Lebensmitteln zubereiteten, wurden wir darauf hingewiesen, dass wir noch gar nicht hier sein dürften, weil das für die anderen und auch ihn beim Frühstück vorbereiten störend sein könnte. Also haben wir uns mit Tee und Müsli auf die Dachterrasse verzogen und einen schönen Sonnenaufgang erleben:

Ich packte dann meine Sachen (um 8:20 haben wirklich noch alle 3 in meinem Zimmer geschlafen 🙄) und fuhr zum Hafen. Dort erlebte ich das erste Highlight des Tages: laut Preisliste sollte meine Überfahrt 32€ und die meines Fahrrades 27€ kosten. Als mir aber nur 32€ in Rechnung gestellt wurden und ich frug, hieß es nur „the bicycle is free“! Na, solche Preispolitik lob ich mir:

Aus dem planmäßigen 35 min Überfahrt wurde eine gute Stunde, ohne dass ich das Gefühl hatte, dass irgendwer gebummelt hätte. Naja, es war auf jeden Fall sehr entspannt und ich hatte nach Passkontrolle und Klamottenwechsel sogar Zeit, im duty free shop vorbei zu schauen und evtl die letzten Euros für was Süßes anzulegen? Aber nicht bei den Preisen, Leute!

In Tanger angekommen lief alles unglaublich entspannt ab: ich wurde mit meinem Fahrrad immer durchgewunken, nicht kontrolliert und immer freundlich begrüßt. So ging das übrigens den ganzen Tag weiter: erst staunten die Leute und wenn ich ihnen ein freundliches Bonjour oder besser Salam entgegen schmetterte, lachten und freuten sie sich. Auto- und Lastwagenfahrer machten Lichthupe und Tröte und reckten Daumen oder ganze Arme in die Luft. Das ist echt toll, so freundlich aufgenommen zu werden. Leider muss ich aber auch erwähnen, dass viele Autos in hoher Geschwindigkeit eng an mir vorbei rasten.

Überhaupt der Verkehr z B in Tanger: jeder fährt, wo gerade Platz ist, rechts vorbei, mitten durch, alles ganz normal. Besonders spannend ist das Durchqueren eines Kreisverkehrs. Bist du mal drin, kannst du nicht davon ausgehen, dass deine Vorfahrt beachtet wird, sondern es drängeln alle von außen in jede Lücke rein. Als Radfahrer braucht man gute Nerven und Vertrauen, dass die Autos in letzter Sekunde vor dir anhalten.

Erstaunlicherweise gibt es auf allen großen Straßen einen ziemlich breiten Seitenstreifen, auf dem man als Radfahrer relativ sicher ist. So sicher, dass man den auch mal gegen die Fahrtrichtung nutzen kann (man achte auf den Fahrradfahrer ganz links in Bild):

In Tanger kämpfte ich etwas mit den Geldautomaten, bekam beim 5. dann aber endlich das gewünschte Ergebnis in Form von Scheinen mit dem marokkanischen König drauf raus. Ein paar wenige setzte ich gleich für eine marokkanische SIMkarte von Orange ein. Schon geil: hier bekam ich eine Prepaidkarte mit 10GB/Monat Internet und 4h Telefon (Inland) ohne irgendeine Registrierung für 130 Dirham (DH), das sind etwa 11€! So hatte ich dann flott mein Navi wieder online (funktioniert viel schneller und präziser) und verließ auf dem schnellsten Weg diesen brodelnden Kessel gen Süden. Leider zieht sich so eine Stadt mit ihren Ausläufern (Einkaufszentrum, Industriegebiet etc) ganz schön lange hin und sie ist in diesem Randbereich nicht besonders attraktiv. Als ich dann endlich raus und wieder am Meer war, legte ich auch wegen der Mittagshitze eine Pause an Strand ein:

Erstaunlicherweise leben hier am Strand auch ein paar Leute in alten kleinen Würfeln von der Strom- oder Wassergesellschaft. Aber mit Solarzellen vor der Tür! Mutete doch schon etwas merkwürdig an, als ob hier ein paar Obdachlose untergekommen wären!?! Das machte mich etwas melancholisch und das erste Mal auf dieser Reise fühlte ich mich einsam. Keine Ahnung, warum: [Nachtrag 27.4.18, 10:43]: Jetzt habe ich eine Idee, was mich auch gestern schon so umtrieb und melancholisch machte: hier stehen entlang des Weges einige, z T sehr prächtige Bauruinen, die verlassen oder gar aufgeben scheinen:

Und gerade bei der Einfahrt nach Larache komme ich wieder an einer vorbei, die sogar an einer Stelle bewohnt scheint:

Das finde ich schon etwas deprimierend [\Ende Nachtrag]

Diese Melancholie löste sich beim ersten marokkanischen Tee sofort auf. Das ist Marokko: Tee und große Platten mit verschiedenem Grillfleisch und Vorspeisen.

Weiter ging es ein nach Asilah, eine alte Stadt mit bewegter Geschichte, die heute viele Künstler hat, die in der Altstadt ausstellen und verkaufen. Hier ein paar Eindrücke aus der Altstadt:

Auf der Hauptstraße wurde mir dann aus Zuckerrohr, Zitrone und Ingwer ein frischer Saft gepresst:

Überall unterwegs gab es kleine Ziegenherden am Wegesrand zu sehen:

Überhaupt Tiere: hier laufen ja so viele frei herum (Hunde, Katzen, Esel, Kühe etc), aber dieser Hund hier hat mein Herz sofort erweicht:

Er hat sich aber schnell von selber verzogen.

Jetzt bin ich auf dem Berg zwischen Asilah und Larache in einem Waldstück mit ein paar Büschen und Bäumen. Allerdings stellte sich der „einsame Weg“ als Zufahrt zu einem Dorf heraus. Ich hoffe, dass sich keiner der Dorfbewohner heute oder morgen früh für mich interessiert und gehe jetzt zuversichtlich und Sonne, Land und Leuten betankt schlafen.

3 Antworten auf „11. Tag: Tarifa – Larache“

  1. Lieber Dirk,
    ich freue mich jeden Abend darauf, deinen neuesten Bericht zu lesen – Marokko muss ein ganz spannendes Land sein!
    Alles Liebe weiterhin – good vibes!
    Eva-Maria

    1. Liebe Eva-Maria,
      es freut mich, dass auch du so interessiert mitliest. Ja, Marokko ist spannend, weil so ganz anders als Europa. Während ich dir schreibe, sitze ich im einen Straßencafé und sehe die Leute Kaffee und Tee trinken, Autos kommen und Menschen gehen, alle recht geschäftig, aber ohne Hast und starrem Blick voraus, sondern von einem bewundernswerten Gleichmut getragen. Könnte hier noch lange verweilen, aber die Straße ruft…😜
      Herzlich, Dirk

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