22. Tag: Nouakchott – Rosso – Lampsar

Die Nacht war sehr kurz. Nachdem ich wegen meiner Bankexkursion erst gegen 2 Uhr ins Zelt gefallen bin, war ich um kurz vor 4 Uhr wieder glockenwach. Eigentlich müsste es hier muezzinwach heißen, denn der erste setzte wirklich um diese Zeit an, erstarb dann aber schnell wieder. Hatte er sich um eine Stunde vertan?

Da ich ja die letzten beiden Tage im Bus verbracht hatte, war das mit der Müdigkeit auch kein Problem. Ich nutzte das offene WLAN eines Café Parisienne um über WhatsApp nach Hause zu telefonieren. Denn in Deutschland war es ja gerade 6 Uhr und meine Familie am Aufstehen. So konnte ich alle Sorgen wegen der fehlenden Rückmeldung zerstreuen und ein paar Infos zur Situation los werden.

Pünktlich um 6 Uhr sind wir dann wirklich in den Sonnenaufgang losgefahren. Die Straße wechselte von frisch geteert zu völlig zerlöchert bis zu nicht vorhanden und daher Waschbrettoberfläche. Der sehr umsichtige, die Löcher umkurvende Fahrer trat dann aber nach ca 1/3 der Strecke als er schalten wollte ins Leere. Die hydraulische Kupplung zeigte keine Reaktion mehr. Für uns ein Totalausfall (stimmts Torben?), für die Afrikaner eine neue Herausforderung: ab sofort wurde nicht mehr gekuppelt, sondern nur noch geschaltet. Ja das geht. Dank des kräftigen Anlassers klappte auch der Start in ersten Gang, eingekuppelt natürlich 💪! In Tiguent hatte eine winzige Werkstatt mitten im Dorf auch noch das passende Ersatzteil zur Hand und es wurde mal schnell auf der Straße gewechselt:

Derweil konnte ich das rege Leben auf der Straße beobachten. Neben den zu erwartenden Autos verkehrten hier noch alleine Ziegen, Esel z T mit Karren und frisch geschlachteten Fleisch drauf, Kinder in allen Größen usw:

Nach 2 Stunden ging es dann weiter Richtung Rosso: das in mehreren Publikationen als der verrückteste Grenzübergang Afrikas bezeichnete Örtchen, machte diesem Titel alle Ehren. Es herrschte ein totales Chaos aus Menschen, Tieren und Fahrzeugen. Überall wurde ich abgesprochen, ob ich a) Hilfe bei den Grenzformalitäten, b) Geldwechseln wolle c) Etwas kaufen wolle oder d) etwas Geld für die bettelnden Kinder habe. Es war nicht einfach, sich gegen alle gleichzeitig zu wehren, ohne unhöflich zu werden:

Ich konnte meine Grenzformalitäten sehr gut alleine abwickeln und da ich eh kein Geld hatte, konnte ich auch keinem was geben, so sehr sie mich auch versuchten zu überreden. Erstaunlicherweise wurde ich sehr freundlich und zuvorkommend behandelt. Ich glaube, als Europäer und besonders als Deutscher genießt man hier ein gutes Ansehen. Dann ging es um kleinen Holzboot über den Fluss Senegal, der dem Land seinen Namen gab:

Auf senegalesischer Seite war das Chaos nicht minder. Auch hier wurde ich zum Geldwechseln genötigt, sollte zur Übernachtung bleiben und Dienste zur Einholung des Einreise Tempels in Anspruch nehmen. Brauchte ich alles nicht. Der Grenzbeamte begrüßte mich auf deutsch und Zack hatte ich einen Einreisestempel. So schnell kann das gehen.

Nun hieß es Abschied nehmen von meinen Begleitern für diesen Abschnitt: Matar und Asis gaben mir noch von sich aus ihre Handynummern mit dem Hinweis, dass ich mich melden sollte, wenn ich Hilfe brauche oder in Dakar bin. Das waren echt super nette und hilfreiche Senegalesen! Für mich ging es jetzt darum, endlich einen funktionierenden Geldautomaten zu finden. Nach Matars Auskunft würde ich in ca 10km einen finden.

Leider weit gefehlt: nach ca 12km kam die erste Siedlung ohne irgendwelche Einkaufsmöglichkeit oder gar Bank. Mir dämmerte, dass ich wohl bis zur nächsten auf der Karte verzeichneten Ortschaft Ross-Bitheo fahren müsste. Das waren noch weitere 38km bei 46*C und ohne weiteres Wasser oder auch nur einen Cent in der Tasche, um mir welches zu kaufen. Dazu muss man wissen, dass es hier weder Wasser so einfach aus der Leitung gibt, wie bei uns, noch dass dieses dann auch trinkbar wäre. Jeder kauft hier Wasser aus Flaschen. Puhhh, schon bei dem Gedanken wurde mir ganz mulmig. Was tun?

Ich machte mich schleunigst in die Spur, um durch die Hitze nicht noch mehr zu dehydrieren. Unterwegs sprach ich zwei Autofahrer an, die gerade eine Panne hatten, wo der nächste Geldautomat wäre (Ross-Bitheo) und ob sie mir etwas Wasser geben könnten. Sie füllten mir eine Flasche aus ihrem Kanister, so dass ich Hoffnung hatte, die letzten 30km gut zu überstehen. Ich teilte mir das Wasser gut ein und begann unterwegs von einer kühlen Bankfiliale und gekühltem Wasser zu tagträumen. Ich konnte mich sehr lebhaft in die Situation eines durstigen Wüstenwanderers versetzen. Eigentlich war ich gerade auch nichts groß anderes.

In Ross-Bitheo gab es genau einen Bankautomaten, der mir aber auf meine Mastercard kein Geld geben wollte. Nach Auskunft der Bank Mitarbeiter sei das hier halt Land und sowas wie internationale Abhebungen nur in St Louis möglich. Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen. St Louis war nochmal 51km entfernt, das würde ich heute nicht mehr schaffen!

Ein Einheimischer bot mir etwas halbherzig eine Übernachtung bei ihm an und ich war so verzweifelt, dass ich trotz eines schlechten Gefühls darauf eingehen wollte, als er plötzlich verschwand. Ich setzte mich einen Moment in den Schatten und versuchte klar zu werden: ich hatte alles bei mir, was ich für den Tag noch brauchte, bis auf Wasser. Also bat ich die Leute in der Bank mir trotz aller Hinweise meine Flaschen mit Leitungswasser zu füllen. Ich sagte, ich werde es abkochen, was aber nur begrenzt stimmte. Ich trank auf den nächsten 25 km fast eine Flasche leer, suchte mir einen Schlafplatz am Wegesrand, was sehr schwierig war, da es hier überall Leute gibt, die irgendwo auf dem Feld wohnen, kochte mir ein Abendessen und schlief beim zweiten Löffel direkt neben meinem Topf im offenen Zelt völlig erschöpft ein. Nachts wachte ich kurz auf, stellte den Topf vor das Zelt, machte das Zelt mit, wie ich an nächsten Morgen sah, ca 50 Mücken drin zu und schlief von 20 Uhr bis 6:30 durch! Das war ein Tag!

7 Antworten auf „22. Tag: Nouakchott – Rosso – Lampsar“

  1. Mensch Dirk… Dein heutiger Beitrag hört sich ja nicht sooo glücklich an. So ohne Wasser, bzw. mit senegalischem Leitungswasser möchte man eher nicht durch die Wüste radeln.
    Was die Kupplung angeht… Du vergisst, dass Portugal vor 20 Jahren auch eher zum Norden Afrikas, als zum Süden Europas gezählt hat… da lernt man so einiges :). Mit meinem Motorrad bin ich auch schon notgedrungen um die 100Km ohne Kupplung gefahren. Wenn man bei richtiger Drehzahl schaltet, kracht es noch nicht mal.
    Freut mich zu lesen, dass Du in der Zwischenzeit wieder zu Geld und ordentlichem Wasser gekommen bist.
    Für den Rest der Reise wünsche ich Dir auf jeden Fall mehr Glück!

    1. Ja, Torben, dass ich ziemlich am arsch war, wollte und konnte ich nicht verheimlichen. Und das war ja auch Teil des Projektes. Nach einem Tief kommt wieder ein Hoch…oder „Wo Schatten ist, muss auch Licht sein!“
      Dass du schon vor 20 Jahren im „nordafrikanischen“ Portugal warst, war mir gar nicht bewusst 🤔
      Danke für deine Wünsche 🙏

      1. Wenn man es genau nimmt, vor 24 Jahren. 1994 bis 2014.
        Da war Portugal noch weit weg von der modernen Welt. Das hat sich allerdings relativ schnell geändert.
        Heute ist dort so manches moderner und fortschrittlicher als in Deutschland. Das mobile Netzwerk zum Beispiel.

        1. Ah, interessant.
          Ehrlich gesagt ist es ja keine Kunst mobiles Netzwerk besser zu machen als in Deutschland 😉. Das ist glaube ich überall in Europa (und auch in Marokko, wie ich jetzt berichten kann; Senegal bin ich gerade am testen) besser als in Deutschland. Das hat einerseits was mit der Bevölkerungsdichte zu tun, aber in erster Linie mit den absurden Summen an Geld, die 2001 bei der Versteigerung der Lizenzen verbrannt wurden und nachher nicht mehr für Investitionen in die Infrastruktur zur Verfügung standen. So frisst die Marktwirtschaft ihre eigenen Kinder 🙄.

  2. Dirk, klasse, Du bist im Senegal:-) Viel Spaß dort.
    Ich freu mich für Dich und lese weiterhin begeistert mit.

    Fühl Dich gedrückt,

    Frank

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